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Elon Musk: X will in Deutschland verbotene Nazi-Parole weiter tolerieren

epa11439046 Former history teacher and current leader of the far-right Alternative for Germany (AfD) party in Thuringia, Bjoern Hoecke arrives in court for the second day of his trial during what is e ...
Björn Höcke wurde wiederholt wegen der Verbreitung der SA-Parole «Alles für Deutschland» verurteilt.Bild: keystone

Ermittlungen gegen X: Musk will in Deutschland verbotene Nazi-Parole weiter tolerieren

Elon Musks Social-Media-Plattform reagiert auf die Recherchen zu Ermittlungen in Deutschland und legt nach: In einer Nazi-Parole sehen die Verantwortlichen angeblich kein Problem.
03.09.2025, 17:4003.09.2025, 17:40
Lars Wienand / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Die Social-Media-Plattform X legt es nach der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen drei seiner Manager wegen möglicher Strafvereitelung auf die Machtprobe mit deutschen Behörden an. T-Online hatte am Freitag das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Göttingen öffentlich gemacht. Nun reagiert X über sein Team für internationale Regierungsangelegenheiten öffentlich und bezeichnet sein Vorgehen als «mutig».

Vorausgegangen war, dass X bei einem mutmasslich strafbaren Posting keine Daten zu dem entsprechenden Account herausgegeben hatte. Deshalb konnten die Staatsanwälte einen Verdächtigen nicht ermitteln und mussten das Verfahren einstellen. Wegen der Weigerung, die Daten herauszugeben, wurde eine Anzeige erstattet, die die Ermittlungen gegen X ausgelöst hat.

Wie argumentiert X?

Nazi-Parole sei ok

Recherchen von T-Online bei mehreren Staatsanwaltschaften ergaben, dass wohl System hinter dem Vorgehen steckt: X hat im Sommer 2024 begonnen, Auskunftsersuchen nicht zu erfüllen. Am Dienstagabend räumte X das mit einem Posting auch offen ein und will weiterhin so vorgehen: X verteidigt in seiner Stellungnahme indirekt auch die Nutzung des Satzes «Alles für Deutschland». Dies war die Losung der Sturmabteilung (SA), der paramilitärischen Kampforganisation von Adolf Hitlers Partei NSDAP.

Der Streit mit grosser politischer Tragweite droht damit weiter zu eskalieren. X erklärt in seinem Statement, das Unternehmen widersetze sich «in Fällen mutmasslicher Online-Gedankenverbrechen den überzogenen Forderungen deutscher Behörden rechtmässig» und verteidige so «weiterhin mutig die Privatsphäre und die Meinungsfreiheit seiner Nutzer». In einer früheren Stellungnahme hatte X erklärt, bei etwa 87 Prozent der Anfragen gehe es um das, was X «Verstösse gegen die Meinungsfreiheit» nennt.

X behauptet, deutsche Regelung sei rechtswidrig

Die Verantwortlichen der Social-Media-Plattform stehen dazu, die Daten «in solchen Fällen» nicht auf dem Weg herauszugeben, der in Deutschland dafür gesetzlich vorgesehen ist. Der sieht so aus: Ermittler stellen in Ermittlungsverfahren wegen mutmasslicher Straftaten Auskunftsersuchen nach dem Paragrafen 100 der Strafprozessordnung an die Betreiber der Plattform und geben dabei an, um welchen Beitrag von welchem Account es geht.

Das Unternehmen muss dann gemäss Gesetz sogenannte Bestandsdaten herausgeben. Das sind etwa Telefonnummer, E-Mail-Adresse oder Bezahldaten. Damit können Ermittler dann den Accountinhaber ermitteln. Der Weg hat sich eingespielt und läuft nach Darstellungen von Ermittlern mit den anderen Netzwerken wie TikTok oder Meta bisher weitgehend reibungslos.

X jedoch erklärt, der Weg sei rechtswidrig: Die Vorschrift zur Herausgabe im TDDDG (Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz) verstosse gegen Europarecht. Das US-Unternehmen klagt deshalb vor diversen Gerichten. Bei einer bisher bekannt gewordenen Entscheidung musste es eine Niederlage hinnehmen: Die Klage war nicht zulässig, urteilte ein Amtsgericht in Hessen. X behauptet dagegen in seiner Stellungnahme, «mehrere Gerichtserfolge» hätten das Vorgehen bestätigt. Nähere Angaben dazu fehlen.

epa12146138 Elon Musk attends a press conference with US President Trump in the Oval Office at the White House in Washington, DC, USA, 30 May 2025. EPA/FRANCIS CHUNG / POOL
Elon Musk will deutschen Strafverfolgungsbehörden weiter Daten verweigern.Bild: keystone

Das Team für die globalen Regierungsangelegenheiten bei X erklärt weiter, deutsche Behörden sollten sich im Rahmen des Rechtshilfeabkommens an die USA wenden. Das bedeutet, Anfragen müssten übersetzt werden, auf beiden Seiten des Atlantiks müssen weitere Stellen eingebunden werden und US-Richter müssten entscheiden. Ein aufwendiges und langwieriges Verfahren.

Zudem könnten Richter in den USA eine ganz andere Auffassung haben, wie mit manchen Delikten umzugehen ist, die in Deutschland strafbar sind. Dazu gehören etwas Beleidigung, Verleumdung, Volksverhetzung oder die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Nach US-Verständnis deckt die Redefreiheit auch, ein Hakenkreuz oder den Hitlergruss zu zeigen. In Deutschland ist dies strafbar, wenn es nicht in klar ablehnendem und aufklärendem Sinn geschieht.

X argumentiert mit Durchsuchung bei 15-jährigem TikToker

Bei X ist man offenbar der Auffassung, dass die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auch für deutsche Nutzer folgenlos bleiben soll. Das passt zur Linie von X-Chef Elon Musk. Er stellt sich nicht nur als Verfechter einer vollkommen uneingeschränkten Meinungsfreiheit dar, sondern hat auch wiederholt für die AfD geworben. Deren Thüringer Vorsitzender Björn Höcke wiederum tritt für die Abschaffung von Delikten wie Volksverhetzung und Verwendung verfassungswidriger Symbole ein.

Geschichtslehrer Höcke ist zweifach verurteilt für die Nutzung der einstigen SA-Parole «Alles für Deutschland». Das Kennzeichenverbot hat eine Tabuisierungsfunktion: Im Alltag sollen entsprechende Gesten und Symbole keine normale Rolle spielen dürfen. Höcke hingegen will ihre Nutzung normalisieren.

X stellt in seinem Statement User, die die strafbare Formulierung «Alles für Deutschland» verwendet haben, als Opfer dar. Bei dem betreffenden Fall ging es zunächst gar nicht um X, sondern um TikTok. Die Polizei hatte in einem Verfahren der Münchner Staatsanwaltschaft bei der Familie eines 15-Jährigen elektronische Geräte des Jugendlichen und seines Bruders sichergestellt. Dem 15-Jährigen wurde vorgeworfen, mit dem heute gelöschten Account «@afd394/Deutscher Patriot» auf TikTok mit dem Hashtag «#AllesfürDeutschland» gepostet zu haben. Darüber hatte die «Junge Freiheit» berichtet.

Danach will X ins Spiel gekommen sein: Man habe nach dem Vorfall die Daten von Personen geschützt, die «lediglich vor staatlichen Razzien wegen des Postens des Satzes gewarnt hatten». Was X nicht schreibt: Einige User hatten erkennbar provokant und zum Teil mehrfach die Formulierung benutzt, mit dem Hinweis, man warne vor der Nutzung der Formel. Dadurch ausgelöste strafrechtliche Ermittlungen und Anfragen an X zu Daten sind vorstellbar, aber bisher nicht öffentlich bekannt.

X stellt Ermittlungen als Reaktion auf anderen Fall dar

Es ist umstritten, ab wann die Tabuisierung der Symbole im Vordergrund steht und Strafbarkeit beginnt. So kritisierte das Fachmagazin Legal Tribune Online nach einer Verurteilung in einem anderen Fall: Wenn es erlaubt sei, öffentlich zu kritisieren, dass eine bestimmte Formulierung strafbar ist, dann müsse es auch erlaubt sein, die Formulierung in diesem Kontext auszusprechen.

Der Fall könnte für X ein willkommener Vorwand für seine Argumentation sein. Das US-Unternehmen hatte schliesslich bereits im Sommer 2024 begonnen, Antworten auf Auskunftsersuchen vermehrt zu verweigern. Als die Durchsuchung bei dem 15-Jährigen publik wurde und X sich nach eigenem Bekunden schützend vor die «lediglich warnenden» Nutzer gestellt habe, war es bereits Dezember. X sei gezwungen gewesen, entsprechende Postings für Nutzer in Deutschland auszublenden, sei ansonsten aber «dem Schutz der Identität der Verfasser verpflichtet» geblieben.

Nun behauptet X, die Ermittlungen gegen seine Manager seien «offenbar eine Reaktion» auf das eigene Vorgehen in diesem Fall. Für die Darstellung gibt es aber keine Anhaltspunkte. Tatsächlich ermittelt die Staatsanwaltschaft Göttingen wegen eines Falls, in dem ein User ein Bild mit einem nicht ganz vollständigen Hakenkreuz und einer mutmasslich verleumderischen Behauptung über eine wenig prominente Politikerin verbreitet hatte.

Als die Ermittlungen durch die Blockade von X nicht weiterkamen und eingestellt wurden, erstattete der Twitternutzer @bastelbro1 in Göttingen die Anzeige wegen mutmasslicher Strafvereitelung in dem Fall.

Langer Weg bis zur Strafe

Die Behörden haben wenig weitere Handhabe, X zur Herausgabe der Daten zu zwingen. Die EU könnte einen Verstoss gegen das Digitale-Dienste-Gesetz (DSA) feststellen und eine Zahlung von bis sechs Prozent des Jahresumsatzes verhängen. Doch bis es dazu kommen könnte, ist es ein langer Weg. Deutsche Ermittler geben ihre Erfahrungen aber bereits an die Bundesnetzagentur als nationalen Koordinator des EU-Gesetzes weiter.

Laut seinem Transparenzreport für die zweite Jahreshälfte 2024 hat X in der EU auf 8730 Behördenanfragen in 4106 Fällen Daten herausgegeben, also etwa in jedem zweitem Fall. Die meisten Anfragen kommen X zufolge aus Deutschland. In den USA gab es hingegen nur 3788 Anfragen, X erfüllte sie aber in knapp 80 Prozent der Fälle.

Zur Entfernung von Inhalten kamen in der EU 3831 Anfragen, denen X zu 90 Prozent nachkam. In Japan waren es 20-mal so viele Anfragen, bei etwa gleich hoher Kooperation. Aus der Türkei kamen fast dreimal so viele Anfragen wie aus der EU, die X in einer ähnlich hohen Quote erfüllte. In der Türkei hat X auch auf Behördenverlangen den Account des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu gesperrt, der der aussichtsreichste Gegenspieler des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ist.

Quellen

(t-online/dsc)

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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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EinfachJemand
03.09.2025 17:55registriert März 2019
Ist doch einfach, will X in Deutschland aktiv sein, hat es die deutschen Gesetze zu beachten.
Wenn X das nicht will, dann soll X in DE halt blockiert werden.
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zazie
03.09.2025 22:43registriert Mai 2023
Man sollte sich vom Namen "Musk" hier nicht ablenken lassen, denn es geht um einen viel grundsätzlicheren Aspekt: Die USA versuchen seit Jahren - und unter Trump entschlossener denn je - weltweit durchzusetzen, dass das US-amerikanische Recht
a) weltweite Geltung verlangt und erhält, und
b) auch dann gilt, wenn andere Rechtsnormen von US-amerikanischem Recht abweichen.

Ein Jurist wird es vermutlich eleganter formulieren, aber es ist wie "Die USA sind immer im Recht; sollte das einmal nicht stimmen, tritt automatisch Satz 1 in Kraft."

Es geht darum, 'Rechtssouveränität' aufzuheben.
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Tokyo
03.09.2025 18:53registriert Juni 2021
Wenn X sich weigert an deutsches Recht zu halten, gehört X verboten. Punkt

Sehe nicht wozu man so einen langen Artikel schreiben muss, um irgendwelche hanebüchenen Rechtfertigungen von X und deren Lügen zu verbreiten.
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